Description
Wunderschönes Blatt mit kardinalischem Wappen gestochen von Pieter de Jode d. Ä. nach einer Zeichnung von Francesco Vanni. Die Helmzier und die kunstvoll ausgeführten allegorischen und heiligen Figuren im Stil des Manierismus, stilisieren den Eigner des Wappens zu einem Mann der Kirche, der sich durch Festigkeit im Glauben und Wachsamkeit gegenüber sündhaften Treiben auszeichnet.
Das geteilte Wappen zeigt im oberen Feld (1/3) einen schräg geführten Gegenzinnenbalken begleitet von 3 siebenzackigen Sternen unten und oben. Im unteren Feld (2/3) ein Stier mit untergeschlagenem Schwanz. Über dem Wappen zeigt der Galero mit 2 x 10 Fiocchi in 4 Reihen den kardinalischen Rang des Wappeneigners an. Das einfache Vortragekreuz verweist auf einen Erzbischof ad personam oder honoris causa, d.h. der Titel wurde ehrenhalber verliehen und – da er die zehn Quasten, aber nur das einfache Vortragekreuz führt – behielt der Bischof sein Bistum pro hac vice.
Die Fiocchi zu beiden Seiten des Schildes werden von zwei weiblichen Figuren teilweise verdeckt. Bei der linken Figur handelt es sich um eine christliche Heilige, wie die weiße Lilie (Jungfräulichkeit) und der Palmwedel (Märtyrer) in ihrer rechten Hand anzeigen. Weiterhin hält sie einen Miniatur-Tempel in der Linken, zu ihren Füßen befindet sich eine Doppeltafel mit hebräischen Schriftzeichen und über ihrem Kopf schwebt eine in Licht erstrahlende Taube. Schrifttafel und Taube könnten auf die Heilige Scholastica hinweisen, bei der es sich um die Schwester des Benedikt von Nursia – dem Gründer den Benediktinerordens – handelt. Die Taube steht für die Seele der Heiligen Scholastica, die ihr Bruder nach ihrem Tod in dieser Form gen Himmel fliegen gesehen haben will.
Zur rechten Seite des Schildes steht eine weitere weibliche Figur, die durch antikisierende Rüstung und Helm als mythologische oder allegorische Figur ausgewiesen ist. Sie hält einen langen Speer in der Linken, auf ihrem Helm sitzt ein flügelschlagender Hahn und zu ihren Füßen steht ein Kranich mit einem Stein in der linken Klaue.
Ein solcher Kranich findet sich häufig auf solchen Wappendarstellungen und steht für Vorsicht und Wachsamkeit. Im römischen Kulturkreis hatte der Kranich verschiedene Bedeutungen, u.a. hat er als Symbol der „Vigilantia“, der sittlichen und militärischen Wachsamkeit. Aus diesem entstand der Typus des „Grus vigilans“ – ein Kranich mit einem Stein in der erhobenen Klaue, der ihm im Falle des Einschlafens durch das fallende Geräusch wecken würde. In Bezug auf den Status des Wappeneigner, der aus dem hohen Klerus stammt, ist auch die Deutung des Kirchenvaters Ambrosius von diesem Symbol von Interesse. Ambrosius beschreibt den Kranich mit Stein in der Klaue als ein Gleichnis für die Furcht vor Gott zum Schutz gegen die Sünde und das Teufelswerk, auch vergleicht er das Fallen des Steins mit Glockengeläut als Ruf der Kirche.
Auch der Hahn ist ein Symbol der Wachsamkeit und gilt als ein Dämonen abwehrendes Tier und als Warner vor teuflischem Tun (vgl. als der Hahn bei der Verleugnung Christi durch Petrus dreimal krähte).
Hahn und Kranich waren bei den Griechen dem Sonnengott Apollon, Pallas Athene als Symbol der Wachsamkeit, Ares als Symbol für Kampfbereitschaft und ferner auch Hermes, Demeter und Persephone heilig. Die dargestellte antikische Frauenfigur lässt sich jedoch nicht eindeutig als eine der genannten weiblichen Gottheiten identifizieren. Generell zeigt sich der Eigner des kirchlichen Wappens durch das symbolisch-dekorative Beiwerk aus Figuren und Symboltieren als besonders wachsam gegenüber sündhaftem Treiben und als gottesfürchtigen Mann der Kirche.
Der Stecher Pieter de Jode d. Ä. (1570-1610) war vorrangig in Antwerpen tätig. Stilistisch bildete er sich nach Gerrit de Jode, seinem Vater, und Hendrick Goltzius. Letzterer ist einer der bedeutendsten niederländischen Kupferstecher am Ende des 16. Jahrhunderts, bekannt für seine perfekte stilistische Imitation der altern Meister (wie Dürer und Lucas van Leyden) sowie für seine elaborierte manieristische Formensprache. Auch Pieter de Jode ist deutlich am Stil des Manierismus orientiert, wie die gelängten Gliedmaßen und preziösen Körperhaltungen der beiden weiblichen Figuren links und rechts des Wappenschildes erkennen lassen. Die schwungvollen Haltungen und wehenden Draperien wurden durch die präzise ausgeführten Taillen de Jodes plastisch aus dem Kupfergrund modelliert.
Die Vorlage des Stiches stammt von dem Sieneser Künstler Francesco Vanni (1563–1610), der ebenfalls im Stile des Manierismus arbeitete. Nach einer Ausbildung in der Werkstatt seines Stiefvaters Arcangelo Salimbeni in Siena, ging Vanni von 1600 bis 1604 nach Rom, um im Petersdom zu arbeiten. Die persönliche Begegnung der beiden Künstler de Jode und Vanni könnte sich demnach in Siena oder Rom zugetragen haben. De Jode stach verschiedene Blätter nach Zeichnungen Vannis, so beispielsweise einen 12 Tafeln umfassenden Illustrationszyklus zum Leben und Wirken der Heiligen Katharina von Siena (Antwerpen, 1597).